31.03.2014

Gehaltrückstände bedeuten nicht, dass Arbeitnehmer Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kennt

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 06.10.2011 kann eine für die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen bedeutsame Kenntnis eines Arbeitnehmers über die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, bei dem er angestellt ist, nicht allein deswegen geschlossen werden, weil der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer mit Gehaltszahlungen im Rückstand ist und der Arbeitnehmer Kenntnis davon hat, dass dies auch auf andere Beschäftigungsverhältnisse zutrifft.

Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zum Aktenzeichen 6 AZR 262/10 umso mehr, wenn der betreffende Arbeitnehmer keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung des Arbeitgebers und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrzunehmen hatte.

Gemäß §§ 129 ff. InsO ist es dem Insolvenzverwalter möglich,nbsp Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die die Gläubiger benachteiligen, anzufechten, soweit nicht das redliche Vertrauen darauf, dass die betroffenen Verfügungen des Schuldners bestand haben, als schützwürdig anzusehen ist.

Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die innerhalb von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und zu einer Befriedigung eines Insolvenzgläubigers geführt haben. Die Anfechtung ist jedoch nur dann möglich, wenn der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger diese Zahlungsunfähigkeit kannte.

Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.

Im vorliegenden Fall war der Beklagte Insolvenzverwalter in einem im Jahre 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Kläger war bei der Schuldnerin seit dem 13.11.2003 als handwerklicher Betriebsleiter beschäftigt.nbsp Ab 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Am 04.05.2007 erhielt der Kläger Gehalt für Januar 2007 in Höhe von 900,00 € netto und am 07.05.2007 in Höhe von 310,00 € netto. Ebenfalls am 07.05.2007 zahlte ihm die Schuldnerin Gehalt für Februar 2007 in Höhe von ca. 2.342,00 € netto und am 10.05.2007 Gehalt für März 2007 in Höhe von 2.310,89 € netto.

Der Insolvenzverwalter fochte diese Gehaltszahlungen in Höhe von 5.863,00 € an und forderte den Kläger auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurück zu erstatten.nbsp

Mit der vorliegenden Klage hatte der Kläger die Feststellung begehrt, dass er den von dem Beklagten beanspruchten Betrag nicht zurückzahlen muss.

Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Soweit die Gehaltszahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 der Vergütung der vom Kläger in den vorausgehenden drei Monaten erbrachten Arbeitsleistungen dienten, unterlagen sie, so das BAG, als Bargeschäft im Sinne des
§ 142 InsO nicht der Anfechtung, da noch ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Gegenleistung bestand. Im Übrigen hielt das Bundesarbeitsgericht die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Beklagte keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers und die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abzuleiten gewesen wäre, für entscheidungsrelevant.

Die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände sowie von dem Umstand, dass die Schuldnerin gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit Vergütungszahlungen in Rückstand geraten war, reichte nach dem Bundesarbeitsgericht die Annahme der Kenntnis nicht aus, dabei habe das Landesarbeitsgericht zu Recht in die Würdigung einbezogen, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte, dass er keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte und dass der Schuldnerin noch Material auf Rechnung geliefert worden war.

Sollten Sie als Arbeitnehmer eines von der Insolvenz bedrohten Arbeitgebers hierzu fragen haben, beraten wir Sie gern. Sollten Sie von einem Insolvenzverwalter Ihres vormaligen Arbeitgebers zur Rückzahlung von erhaltenen Gehaltszahlungen aufgefordert werden, sollten Sie unverzüglich Rechtsrat einholen.