12.03.2014
Gemeinsames Sorgerecht für den nicht verheirateten Vater
Durch die Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 Az:nbsp1 BvR 420/09 kann auch der nichtverheiratete Vater die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts oder eines Teiles davon beanspruchen, wenn es dem Kindeswohl dient.
Auch dem Vater kann auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge übertragen werden, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht, entschied nunmehr das OLG Sachsen-Anhalt am 12.08.2010 Az.: 8 UF 56/10.
Der Antragsteller begehrt die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind, geboren am 19.03.1997. Die Vaterschaft erkannte der Antragsteller unmittelbar nach der Geburt an. Einem gemeinsamen elterlichen Sorgerecht stimmte die Kindesmutter nicht zu. Die Kindeseltern leben seit dem zweiten Lebensjahr der gemeinsamen Tochter getrennt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kindesmutter als auch der Antragsteller ganztags außerhäuslich berufstätig, sie teilten sich die Versorgung und Betreuung des gemeinsamen Kindes. Seit inzwischen 10 Jahren bestehen gerichtlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten der Kindeseltern über die Gestaltung des Umgangs zwischen dem Kind und dem Antragsteller. Seit 2006 findet kein Umgang zwischen dem Kind und dem Antragsteller statt. Der Antragsteller ist nach seinen Angaben seit 2003 mit Unterbrechungen und seit Juni 2006 ununterbrochen arbeitsunfähig, wobei der Kontaktverlust zum Kind nach seinen Angaben als wesentlicher Grund bewertet werden könne. Er meint, der Ausschluss der elterlichen Sorge verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 6 GG und diskriminiere ihn. Es sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Erteilung des gemeinsamen Sorgerechts das Wohl des Kindes gefährden würde oder im Gegenteil dem Kindeswohl dienlich sei.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Übertragung gemeinsamen Sorgerechts zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass eine gesetzliche Grundlage für den Antrag nicht vorliege und nach gegenwärtigem Recht das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich nicht gegen den Willen der Mutter durchzusetzen sei. Zudem stehe der nach eigener Darstellung des Antragstellers seit etlichen Jahren fehlende persönliche Kontakt zur Tochter der Fähigkeit, Entscheidungen für das Kind zu treffen, entgegen. Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 03.12.2009 - Beschwerde Nr. 22028/04nbspnbspändere an der Rechtslage zunächst nichts. Eine anderslautende gesetzliche Regelung sei bisher nicht getroffen.
Am 21. Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss - 1 BvR 420/09 - entschieden, dass es das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt, wenn der Vater ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Das BVerfG hat als Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung angeordnet, dass ergänzend zu der Regelung des § 1626 a Absatz 1 Nr. 1 BGB vorläufig das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. In Ergänzung von § 1672 Absatz 1 BGB hat das Familiengericht bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge zu übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Dennoch erfolgte die Abweisung des Antrags des Antragstellers zu Recht. Die Übertragung des Sorgerechts entspräche vorliegend nicht dem Kindeswohl.
Die derzeit allein sorgeberechtigte Kindesmutter lehne seit der Geburt des Kindes eine gemeinsame Sorge ab. Eine Zustimmung der Kindesmutter zu einer gemeinsamen elterlichen Sorge sei selbst nach Einschätzung des Antragstellers auch in Zukunft nicht zu erwarten. Seit der Trennung der Eltern vor inzwischen 11 Jahren besteht zwischen den Eltern Streit über die Gestaltung bzw. den Ausschluss des Umgangs des Antragstellers. Wie die zahlreichen auch gerichtlich ausgefochtenen Meinungsverschiedenheiten der Elternteile zum Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind zeigen, war ein Einvernehmen der Elternteile hinsichtlich der Regelung der Angelegenheiten des Kindes nicht vorhanden und ist auch in Zukunft in Bezug auf Angelegenheiten der elterlichen Sorge nicht zu erwarten. Eine Kooperationsbereitschaft zwischen den Elternteilen fehle völlig. Sie sei angesichts der gerichtsbekannten massiven Beleidigungen, mit denen der Antragsteller die Kindesmutter überzieht und die auch dem Kind nicht verborgen bleiben, auch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Dies sei hier für sich bereits ausreichend, um den bestehenden Zustand zu belassen bzw. bei einer zu unterstellenden gemeinsamen Sorge der Beteiligten die Alleinsorge der Kindesmutter zu übertragen. Im vorliegenden Fall betreut und versorgt die Kindesmutter das Kind seit nunmehr mehr als 10 Jahren tatsächlich allein, weshalb die Kontinuität des bestehenden faktischen Zustandes sie gegenüber dem Antragsteller als Alleinsorgeberechtigte faktisch privilegiert. Zudem besteht vorliegend mindestens seit 2006 tatsächlich kein Umgang des Antragstellers mit dem Kind. Das inzwischen 13 Jahre alte Kind lehnt darüber hinaus sogar jeglichen Kontakt zum Antragsteller - nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers - eindeutig ab.
Unter diesen Umständen sei eine tatsächliche Grundlage für ein Verfahren über die Änderung der bestehenden elterlichen Sorge im Interesse des Kindeswohls nicht vorhanden. Das angestrengte diene ausschließlich den Interessen zur Durchsetzung des Vaterrechts und dem Recht auf Familienleben. Inwiefern die beantragte gemeinsame elterliche Sorge im konkreten Falle dem Wohl des Kindes dienen soll, lege der Antragsteller nicht dar.
Anders als im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer im Fall des EuGH das Kind zunächst 3 Jahre gemeinsam mit der Kindesmutter und sodann weitere 2 ½ Jahre allein tatsächlich betreut und versorgt. Nach gerichtlicher Einigung über den Umgang des Beschwerdeführers hatte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Anordnung der gemeinsamen Sorge gestellt, da die Mutter einer gemeinsamen Sorgeerklärung nicht zustimmen wolle, obwohl beide Elternteile sich im Übrigen gut miteinander verständigen könnten. Hier liege der Fall wesentlich anders.