31.03.2014

Keine vorsätzliche Körperverletzung durch einen Lehrer durch „Geleiten“ eines Schülers aus dem Klassenzimmer

In einem Beschluss des Landgerichtes Berlin vom 18.12.2009, AZ: 518 Qs 60/09, hat dieses festgestellt, dass ein Lehrer, der einen Schüler ohne Züchtigungsabsicht zur Durchsetzung einer von diesem nicht befolgten Anweisung den Raum zu verlassen, am Arm greift, keine vorsätzliche Körperverletzung begeht. Im dazugehörigen Verfahren wurde der angeschuldigten Lehrerin von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass sie einen Schüler derart heftig am Oberarm gepackt habe, um ihn aus dem Klassenzimmer zu geleiten, dass der Schüler erhebliche Schmerzen und ein Hämatom am Oberarm erlitten habe. Der Tat soll vorausgegangen sein, dass der Schüler den Unterricht erheblich störte und vergeblich von der Lehrerin aufgefordert worden sei, das Klassenzimmer zu verlassen. In den Gründen wurde festgestellt, dass geringe Blutergüsse oder ähnliches als unerhebliche Beeinträchtigungen unterhalb der Bagatellgrenze der Körperverletzung gelten. Ferner habe die Angeschuldigte weder eine Züchtigung noch eine üble und unangemessene Behandlung begangen. Ihrem Worte nach stellt eine Züchtigung eine regelmäßig mit Demütigung verbundene Strafe dar. Das einfache Umfassen eines Oberarmes, ohne zusätzlichen körperlichen Einsatz (z. B. Schütteln oder Schläge), diente der Durchsetzung einer Ordnungsmaßnahme. Der Angeschuldigten kam es dabei nicht darauf an, dem Schüler Schmerzen zuzufügen. Sie wollte die nach der Sachlage angemessene Maßnahme, das Verlassen der Klasse, lediglich durchsetzen. Sie reagierte damit mit dem mildesten Mittel, das ihr noch zur Verfügung stand, unmittelbar auf ein grobes kindliches Fehlverhalten. Die Entscheidung, den Schüler aus dem Klassenzimmer zu entfernen, war auch nicht ermessensfehlerhaft. Das Zupacken war auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen. Die Handlung war ungefährlich und vergleichsweise unbedeutend. Sie war zur Durchsetzung des Hausrechts und einer nach dem Verhalten des Schülers naheliegenden Ordnungsmaßnahme unvermeidbar. Die Möglichkeit in vergleichbaren Situationen immer sofort die Polizei oder andere Mitarbeiter der Schule herbeizurufen, zöge nicht nur einen nicht wieder gutzumachenden Autoritätsverlust der Lehrerin nach sich. Zwangsläufig entstünde der Eindruck, die Angeschuldigte könne sich nicht einmal einem 11-jährigen Schüler gegenüber durchsetzen. Ein entsprechender Nachahmer hätte es dadurch in der Hand, den Schulbetrieb dauerhaft still zu legen. Dies ist auch in Abwägung mit den Rechten anderer Schüler (Recht auf Bildung) nicht zu verantworten. Eine einseitig auf die Belange undisziplinierter Schüler gerichtete Betrachtungsweise wird dem Gesamtgefüge der Grundrechte aller nicht gerecht, denn Sie birgt die Gefahr in sich, dass Lehrern, bei jeder noch so geringen Reaktion auf undiszipliniertes Verhalten Strafverfolgungsmaßnahmen drohen, weil andere als die in den Normen des Schulgesetztes niedergelegten Ermächtigungsgrundlagen bzw. Rechtfertigungsgründe ausgeblendet werden.