31.03.2014

Schutz behinderter Menschen vor sexuellen Übergriffen durch Bundesgerichtshof gestärkt

Der vom Landgericht Landshut (Urteil vom 22. Juni 2010 – J KLs 20 Js 3838/09) wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilte Angeklagte, der darüber hinaus dazu verurteilt wurde, dem Tatopfer Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen, legte Revision zum Bundesgerichtshof ein.

Der Angeklagte hatte mehrfach den Geschlechtsverkehr (Oral-, Vaginal- und Analverkehr) erzwungen und vom Opfer gegen dessen Willen sexuelle Handlungen an sich vornehmen lassen. Er hatte der Geschädigten gedroht, deren Mutter umzubringen, wenn sie nicht mitmache oder ihn verrate. Die Geschädigte leidet seit ihrer Geburt an einer spastischen Lähmung beider Beine, sodass sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Des Weiteren kann sie eine Hand nicht bewegen. So konnte sie sich auch nicht der Übergriffe des Angeklagten ernsthaft erwehren oder sich entfernen.

Die Revision des Angeklagten verwarf der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils habe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht durfte straferschwerend berücksichtigen, dass beide Tatvarianten § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB* (Drohung) und § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB* (Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers) erfüllt sind, die gleichrangig nebeneinander stehen. Der Senat trat Tendenzen entschieden entgegen, nach denen das gleichrangige Vorliegen der Begehungsvariante "Ausnutzen einer schutzlosen Lage" neben der Begehungsvariante "Drohung" zu verneinen ist. Eine solch einschränkende Auslegung des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB wäre mit der vom Gesetzgeber gewollten Verbesserung des Schutzes behinderter Menschen vor erzwungenen sexuellen Übergriffen nicht zu vereinbaren, da dies zu untragbaren Strafbarkeitslücken führen könnte. Gesetzgeberisches Ziel ist der Schutz schwacher und hilfloser Menschen in der Gesellschaft, insbesondere der Behinderten.

Das Urteil des Landgerichts Landshut ist damit rechtskräftig.

BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 580/10